Montag, 3. Februar 2014

8: Say the right thing

Je älter ich werde, desto mehr Werbungen widern mich an. Wie die Werbebranche mittlerweile sprachlich vorgeht, das geht mir immer öfter so richtig auf die Nerven. Es sind nicht nur die oft schlechten Wortspiele wie bei "Husten, wir haben ein Problem" von Hustensafthersteller Prospan. Oft wird schlicht und einfach gemogelt oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt. In Zeiten der Spezialisierung ist anzunehmen, dass mittlerweile ganze Teams für das Verfassen solcher Texte zusammensitzen. Was gibt man seinem Produkt sprachlich mit, um es den Leuten schmackhaft zu machen? Da gilt es, den sprachlichen Fokus richtig zu wählen. Say the right thing.


Die Leute hinter diesem Plakat verstehen sich bestens darauf. Der Fokus wechselt vom Ausgeben zum Einkassieren. Denken Sie daran: Wenn Sie den Fernseher einfach im Regal lassen, "schenken" die Ihnen den ganzen Preis. Es geht aber natürlich noch viel dreister. Ich kann ja schon Slogans wie die von M&M's ("Jeder will sie haben") oder McOptik ("Macht glücklich!") oder die Toffifee-Werbung (Es wird gesagt, die Differenzen in der Familie könnten durch Toffifee überbrückt werden, und so sind durch den Konsum immer alle glücklich vereint) nicht leiden, die pauschal und plakativ ihre Produkte vergöttern. Meine Güte, und die "Merci"-Schokolade! Die Idee mit dem Namen und der Werbung voller dankbarer Menschen ist ja ganz nett, aber vor allem ist das auch eine krasse Marketing-Masche. Dankbarkeit als Kaufauslöser. Oder wie beim Fondue von Gerber noch etwas direkter ausgedrückt: "Es git immer en Grund". Schauder. Aber passen Sie mal auf, jetzt wird's richtig dreist:


Was haben wir hier? Grossartig, Süssigkeiten ohne Fett! Was kann da noch schief gehen? Ein unglaublich gerissener Marketingmensch muss hinter dieser Beschriftungsstrategie stecken. Drehen wir die Packung mal um:


Zucker und Glukosesirup an erster Stelle! Zum Glück wird das im Körper nicht zu Fett umgewandelt, sonst würde man ja am Ende doch zunehmen! Eine äusserst clevere Wahl des Fokus. Der Laie glaubt, er halte das gesündeste Produkt der Welt in seinen Händen. Es wird etwas auf die Packung geschrieben, was in Tat und Wahrheit nichts sehr besonderes ist und einen falschen Eindruck erweckt, wenn man nicht genauer darüber nachdenkt. Auch bei einem Migros-Joghurt hat sich einer eine solche Masche ausgedacht: Man kippte Zuckersirup rein und schrieb frech auf die Etikette: "0% Kristallzucker". Linguistische Perfidität, vom Feinsten und vom Gemeinsten. Die wussten doch ganz genau, dass viele Leute das Bestimmungswort "Kristall-" beim Kaufentscheid nicht genügend einrechnen und folglich spontan nicht darauf kommen würden, dass der Zucker ganz einfach in einer anderen Form beigefügt worden sein könnte. Solche Schwindeleien deckt regelmässig der Kassensturz auf. Eine grossartige Sendung. Und übrigens, das Beste an der Yoghurt Gums-Packung habe ich Ihnen noch gar nicht gezeigt: 


Na sowas, nicht nur implizit, sondern sogar explizit gelogen. Zum Kopfschütteln.

Auch in der Politik ist das Fokus-Herumgeschiebe sehr populär, denn auch da geht es darum, die Dinge im gewünschten Licht darzustellen und so den Durchschnittsmenschen von etwas zu überzeugen. Wenn Sie in der Schweiz leben, ist Ihnen bestimmt aufgefallen, wie die aktuelle Initiative der SVP auf den Ja- und Nein-Plakaten jeweils genannt wurde:


Die Befürworter sprachen immer von der "Masseneinwanderungsinitiative". Klingt, als würde eine gewaltige Bedrohung damit aufgehalten, und als müsse man folglich unbedingt "Ja" stimmen.



Bei den Gegnern war die Rede von der "Abschottungsinitiative". Die niedrige Meinung davon wird durch diese Wortwahl doch ziemlich klar, und einer Initiative mit so einem negativ konnotierten Titel möchte man spontan doch eher ein "Nein" geben.


Werbung und Politik linguistisch zu untersuchen, ist hochspannend. Der Druck, der auf den Leuten in diesen Branchen lastet, ist enorm: Auf engem Raum müssen möglichst viele Leute mit Sprache für etwas gewonnen werden. Wie Sie sehen, bringt das faszinierende und nachdenklich stimmende Ergebnisse hervor. Oder witzige, wie bei Herrn Bigler, der sich bei Tele Züri mit einer tiefgründigen Metapher zur SVP-Initiative äusserte: "S Problem isch jo, dass me uf em Ascht sitzt, wo me sälber sitzt!" Ich werde mich hier nicht das letzte Mal mit diesen Themen beschäftigt haben. Noch einen schönen Tag!

-Der Sprachbeschreiber