Montag, 24. Februar 2014

11: Doesn't remind me of anything

Zuerst ein Update: Gute Leute, die hohe Besucherfrequenz ist im letzten Monat nicht gesunken, im Gegenteil: Mein Blog wurde jetzt nach etwas mehr als 2 Monaten schon über 2'000mal angeklickt! Das ist einfach nur KLASSE, und auch für diese neuerlichen beachtlichen 1'000 Klicks/Monat möchte ich mich bei allen Lesern herzlich bedanken. :D

Und nun: Blogeintrag Nr. 11.
Neulich beim Zappen entdeckt: Das Sport Quiz auf Sport 1, natürlich live. Der unterbezahlte Quizmaster ist der Verzweiflung nahe:


Seit 2 Stunden und 21 Minuten versucht er nun, 42'000 Euro, ein iPhone 5s, ein iPad Air und eine PlayStation 4 an den Mann oder die Frau zu bringen. Doch leider hat der Urheber des Rätsels einen schweren Fehler begangen: Er hat nicht nur die gesuchten "deutsche Städte" [sic] 1 in seinem Raster versteckt, sondern auch zwei Ortschaften in anderen Ländern. Und dann gibt es noch eine deutsche Stadt, die weder von oben nach unten noch von links nach rechts gelesen werden kann (Aue). Wie soll der durchschnittliche Sport Quiz-Zuschauer diesen fiesen Fallen entweichen? Offenbar war bisher niemand dazu in der Lage. Es ging so weit, dass man die falschen Städte rot durchstreichen, zusätzliche Hinweise einblenden und auf einer Tafel im Hintergrund deutlich die falschen Lösungen aufzeigen musste.
1= sic = so lautet die Quelle; Hinweis darauf, dass eine Auffälligkeit in einem wörtlichen Zitat eine Eigenheit der Quelle selbst ist und kein Versehen der/des Zitierenden (steht gewöhnlich in Klammern und gelegentlich durch ein Ausrufezeichen verstärkt hinter der entsprechenden Stelle) (duden.de)

Tja, Nomen sind eben nicht einfach Nomen, nicht jede Stadt ist eine deutsche Stadt. Nomen sind "signifiants", Sprachzeichen, die irgendwann mal irgendwer für Objekte und Konzepte eingeführt hat, die sogenannten "signifiés". Man kann solche Begriffe mit einer Merkmalsmatrix voneinander abgrenzen. Dass Rom und Wien keine deutschen Städte sind, lässt sich in einer solchen Matrix festhalten. Hier das erste Beispiel aus der Google-Suche:


Solche Eigenschaften sind aber meist bei Weitem nicht das Einzige, das an Begriffen hängt. Es gibt etwa noch die Konnotationen, die den Glauben an die Existenz von echten Synonymen erschüttern. Der Begriff Hund ist nicht wirklich "belastet", das Wort Köter aber ist klar negativ konnotiert, und deswegen kann man eigentlich nicht mehr von einem Synonym sprechen. Dazu kommt etwas, was es uns erschwert, uns in einander hineinzuversetzen: Jeder und jede verbindet während seinem Leben individuell Konnotationen mit Begriffen und lernt, Dinge auf eine Art zu benennen, die sich von derjenigen vieler anderer unterscheidet - mal minimal, mal gravierend. Viele Dinge kann man gar nicht auf Worte herunterbrechen, ohne dass die Konzepte verloren gehen, die man selbst damit verbindet: Oft löst man bei den Empfängern seiner Mitteilungen andere Konzepte und Emotionen aus, als man möchte. Viele Worte sind nicht einfach Begriffe, an denen jeweils eine einzige, normierte Bedeutung und Konnotation klebt! Wir können nicht einfach einen Gedanken eins zu eins in den Kopf unseres Gegenübers transferieren. Wir formulieren Mitteilungen aus Sprachzeichen, die das Gehirn des Empfängers entschlüsseln und zu einem sinnreichen Ganzen zusammensetzen muss. So gesehen ist es doch viel verständlicher, dass es Verständnisschwierigkeiten gibt, nicht?

Besonders schwer wird's natürlich bei abstrakten Begriffen, bei Gefühlen und ähnlichem. Jeder gewichtet Adjektive anders - mancher Liebender dürfte etwa das Problem kennen: Man möchte ein grosses Kompliment oder eine sanfte Kritik aussprechen, und der andere stuft die Wortwahl als unbedeutend bzw. gravierend ein. Für einen Freund von mir bedeutet etwa das Wort "härzig" ungemein viel. Wenn er eine Frau als "härzig" bezeichnet, ist das schon ein halber Heiratsantrag. Aber vielen Frauen bedeutet dieses Kompliment wesentlich weniger; sie fühlen sich zum Teil sogar fast beleidigt. Auch bei anderen Gefühlen gibt's Probleme: Wie artikuliert man sich, wenn man ein psychisches Leiden hat? Wie beschreibt man ein Gefühlschaos, das man noch nie gespürt hat, und für das irgendwie kein Wort passend erscheint? Tja, nicht nur Zitronen, Schwämme und Pickel sind nur schwer mit Worten auszudrücken. Haha. Solche Probleme haben manches Mal zur Einführung von neuen Begriffen in einzelnen Sprachen geführt, die deswegen einzigartig sind und als "unübersetzbare Worte" bezeichnet werden. Das Wort "Schadenfreude" im Deutschen zum Beispiel. Hier mehr davon. Und wie etwa bibelfeste Zeitgenossen wissen dürften, kennt beispielsweise das Griechische verschiedene Worte für das, was wir auf Deutsch in der Regel unter "Liebe" zusammenfassen, um den verschiedenen Dimensionen dieses Begriffs gerecht zu werden: Der freundschaftlichen Dimension (philia), der leidenschaftlichen (eros), der familiären (storgä), der selbst- und bedingungslosen (agape) und der barmherzig- mitleidenden (eleos). Streng genommen gibt es noch ein sechstes, das für das "sympathisch finden" steht (sympateo). Ich finde das cool, weil mir scheint, dass dadurch die Sprache der Vielschichtigkeit dieses Themengebiets gerechter wird - man kann präziser Konzepte in anderen Köpfen aufrufen.

Für Probleme, die die von Person zu Person verschiedenen Konzepte und Konnotationen hinter Wörtern mit sich bringen, habe ich leider gerade keine brauchbaren Tipps am Start. Aber ein Bewusstsein dafür ist sicher ab und zu hilfreich (linguistic awareness!). Ich schliesse mit dem Song, der mich zu diesem Eintrag inspiriert hat. Chris Cornell von Audioslave singt von den Dingen, die er mag, weil sie in seinem Kopf nicht mit Erinnerungen und entsprechenden Emotionen verknüpft sind. Was daran so toll ist, darüber liessen sich bestimmt auch hochspannende Diskussionen führen. Aber nicht hier. Für solches ist dieses Alter Ego nicht zuständig. Wiedersehen!

- Der Sprachbeschreiber